Foto: Candy Welz
27.10.2021

mdr Kultur-Werkstatt zu »Aida«

Einblicke in die Antrittsinszenierung unserer neuen Operndirektorin Andrea Moses und den Umgang mit kolonialer Raubkunst in ethnolgischen Museen gibt die Sendung »Vom Theater ins Museum, ins Leben, und zurück« von Stefan Petraschewsky, die Sie hier in der ARD-Audiothek nachhören können.

Mit »Aida« von Giuseppe Verdi kehrt nach fast 40 Jahren eine populäre Oper zurück auf unsere Bühne. Ein Ohrwurm ist der Triumphmarsch, in dem siegreiche Ägypter die »Schätze der Besiegten« über die Bühne tragen. Aber es geht in dieser Inszenierung nicht nur um Raubkunst auf der Bühne. »Aida« selbst sei eine Art Raubkunst, denn sie raube den Ägyptern die Darstellung ihrer selbst. Verdi erfinde den Ägyptern quasi ihr Altes Ägypten neu; behaupte eine Identität und Kultur aus einer europäischen und kolonialen Perspektive.

Für Andrea Moses ist diese koloniale Geste der zentrale Punkt ihrer Inszenierung. Sie holt die Opernhandlung ins Heute, lässt die Handlung im neueröffneten Humboldt-Forum spielen, das, hinter der wiederaufgebauten Fassade des Berliner Schlosses, die neue Ausstellung des Berliner ethnologischen Museums präsentiert. Als ein zentrales Objekt zeigt diese ein Boot aus der Südsee, dessen Erwerbsumstände nicht dokumentiert sind, dessen Vorgeschichte aber auf einem kriegerischen Überfall der Kaiserlichen Marine beruht. Deshalb, so Moses, sei dieses Museum mit dem Boot darin die Referenzgröße, wenn sie über »Aida« nachdenke; auch, »weil es in einer Art Schizophrenie mit dem christlichen Kreuz auf der Kuppel den Vorgang der Kolonialisierung nach vorne verlängert bis in die Zukunft unser Kinder und Kindeskinder hinein.«

Diese Sendung will im Gespräch mit Andrea Moses und ihrem Team einen Einblick in die Probenarbeit und Regiekonzeption geben. Der Historiker Götz Aly kommt zu Wort, der über das Boot im Humboldt Forum gerade ein Buch geschrieben hat, das erzählt, wie Deutsche die Kunstschätze der Südsee raubten. Aly hält das Agieren der Stiftung preußischer Kulturbesitz in Sachen Raubkunst für »reaktionär«. Im Gespräch ist auch Léontine Meijer-van Mensch, die als Direktorin der Staatlichen Ethno­grafischen Sammlungen (SES) innerhalb der Staatlichen Kunst­sammlungen Dresden, zeitgemäße, neue Ideen ins Spiel bringt, die auch Brücken zu anderen Künsten schlagen. Die Zurschaustellung des Bootes in Berlin findet sie falsch, weil man damit einen Publikumsmagnet geschaffen habe, der die »kolonialen, asymmetrischen Machtverhältnisse« weiterschreiben würde. (Text: Stefan Petraschewsky)

Eine Sendung in der Reihe MDR KULTUR-Werkstatt