26.08.2019

Blühende Landschaften

So lautet das inzwischen zum geflügelten Wort avancierte Zitat aus der Rede Helmut Kohls anlässlich der Einführung der Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1990.

Es war ein Versprechen auf Zukunft, das aber die Frage ausblendete, ob das Leben im Ostteil des Landes sich für viele Menschen dort nicht vorher ebenso ›gelohnt‹ hatte. Auch deshalb, weil es – ausgehend von den Erfahrungen bis zum Herbst ‘89 – die vielleicht naive und nur kurz währende, aber immerhin formulierte Absicht gab, einen anderen utopischen Sozialismus zu verwirklichen. Also jenen oft in Zweifel gezogenen und doch immer wieder heraufbeschworenen ›dritten Weg‹ zu beschreiten, der eine sozial gerechte, demokratische, nicht auf Profit ausgerichtete Gesellschaft intendierte.

Die Verheißung der ›Blühenden Landschaften‹, mit der sich die Erfüllung aller bis dahin unrealisierbar scheinenden Träume verband, die Möglichkeit zu reisen, der Erwerb des eigenen Autos ohne gigantische Wartezeit, die materielle Verbesserung aller Lebensumstände – sie war für die meisten Menschen der DDR zu bestechend, als dass ein weiteres Experiment in Sachen Sozialismus eine Chance gehabt hätte. Nun, 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, taugen die ›Blühenden Landschaften‹ eher dafür, einen Widerspruch zu beschreiben. Denn wahrhaftig, die Landschaften in diesem Teil des Landes gedeihen, Naturschützer*innen haben ihre Freude daran, Tierarten kehren zurück, die Flüsse sind sauberer geworden, die Luft in den ehemaligen Chemieregionen kann man wieder atmen, die Städte sind restauriert und renoviert. Aber genügt das, um das Leben in einer Gesellschaft als ›lebenswert‹ zu definieren? Dieser Fragestellung wollen wir mit verschiedenen Inszenierungen, Projekten, Vorträgen und Gesprächen nachgehen und herausfinden, in welchem Zustand sich das deutsch-deutsche Verhältnis in diesem 30. Jahr des Falls der innerdeutschen Grenze befindet. Ist dieses Land, sind wir, die Menschen, die darin leben, bereit, die eigene Geschichte, die vier Jahrzehnte lang verschiedene Verläufe aufwies, endlich als gleichberechtigt zu betrachten? Und sind wir, die jetzt Lebenden, in der Lage, für die nachfolgenden Generationen eine gemeinsame und zugleich in sich differenzierte Erzählung zu stiften? Wie würde diese beginnen?

Seien Sie herzlich eingeladen mit uns darüber nachzudenken!