DRAUSSEN VOR DER TÜR

Draußen vor der TürEin Tonfilm nach Wolfgang Borchert

 

Durch die andauernde Corona-Pandemie konnte die Premiere nicht, wie ursprünglich geplant, im Februar 2021 stattfinden. Regisseur Marcel Kohler und sein Team haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Arbeit an »Draußen vor der Tür« anderweitig fortzusetzen. Inspiration bot hier der Autor Wolfgang Borchert selbst. Mit seinem Eingangstext im Kopf, dass »ein Mann nach Deutschland kommt und dort einen ganz tollen Film erlebt«, widmen sich Regieteam und Ensemble dieser anderen Visualisierung. Gleichwohl wird sich dies als Spagat zwischen Bühne und Film gestalten.

Im Borchert-Jahr, dessen Geburtstag sich zum 100sten Mal jährt, ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Drama geradezu verpflichtend. Wenn Forschung und Literaturgeschichte den Text bereits auf vielfältige Weise diskutiert und auch kritisiert haben, die darin artikulierte Dringlichkeit des jungen Autors, der selbst Kriegsheimkehrer war, blieb und bleibt auch 74 Jahre nach Erscheinen des Dramas unangefochten.

Der Film versteht sich als eine ästhetische und formale Annäherung an eine Geschichte, in der Beckmann wie auch das Stück, dessen Protagonist er ist, seit 1947 seinen Gang unentwegt fortsetzt und kein Obdach finden darf. Denn das hieße, dass die tatsächliche politische Geschichte, die weit über Beckmanns Schicksal hinausweist, zu einem logischen Schluss und damit zu einem Ende der Vergangenheitsbewältigung gekommen wäre.

 

Zum Drama:
Beckmann kann nicht schlafen. Denn Beckmann hat den Krieg überlebt. Seine Müdigkeit ist groß wie die Welt. Aber schlafen kann Beckmann nicht. Weder Soldat, noch Zivilmensch ist er nun. Verzweifelt beschließt er, ins Wasser zu gehen. Doch selbst der Fluss verweigert ihm die letzte Ruhe. Zurück an Land versucht Beckmann sein vorheriges Leben wiederzufinden. Allein, wohin sich wenden? Seine Rückkehr in die Gesellschaft ist Provokation. Er verkörpert die ungebetene Erinnerung. Die neue Zeit aber stellt sich in den Dienst der Verdrängung: Der Oberst, Beckmanns früherer Vorgesetzter, weist jede Verantwortung für die einstige Befehlsgewalt von sich. Das Elternhaus ist neu bewohnt. Gott weiß keine Antwort und trauert. Einzig ein namenloses Mädchen bietet Beckmann vorübergehend Obhut.

Was aber bleibt einem Menschen, der sich im unaufhaltsamen Fortgang der Geschichte seiner inneren wie äußeren Unbehaustheit bewusst wird? Und wer ist »der Andere«, der Beckmann auf dem Fuße folgt, und seiner existenziellen Verzweiflung unnachgiebige Hoffnung entgegenhält? Sein eigener innerer Antrieb? Die zwingende Stimme eines Überlebenden, der Zeugnis ablegen muss?

Wolfgang Borchert, der im Sommer 1941 eine nachweislich leidvolle Zeit in der Tannenbergkaserne in Weimar-Lützendorf verbrachte, schrieb dem deutschen Literaturkanon mit der Figur des Beckmann bereits 1947 die Erinnerung an die kollektive Schuld der Deutschen unwiderruflich ein. Das Drama, welches Borchert in seinem Todesjahr verfasste, ist Bruchstelle und Naht zugleich: Es verknüpft das Schweigen der Mehrheit vor 1945 mit jenem »Davon haben wir nichts gewusst«, das sich nach Kriegsende als deutsche Antwort manifestierte und auch heute, mehr als 75 Jahre später, immer wieder fatale Renaissance erfährt. Marcel Kohler, Schauspieler am Deutschen Theater Berlin, wird sich im Jahr von Borcherts 100. Geburtstag erstmals als Regisseur am DNT Weimar vorstellen.

 

Künstlerischer Stab:
Marcel Kohler (Regie & Bühne)
Martin Oppel (Künstlerische Mitarbeit Bühne)
Natalie Soroko (Kostüme)
Christoph Bernewitz (Komposition und Musik)
Christoph Hertel (Kamera/Schnitt)
Eva Bormann (Dramaturgie)
Dr. Oliver Kohler (Dokumentation)

Besetzung:
Janus Torp (Beckmann)
Bernd Lange (Gott / der Einbeinige / Oberst)
Isabel Tetzner (Die Andere)
Anna Windmüller (Tod / die Elbe / das Mädchen / Frau Kramer)
Christoph Bernewitz (Musiker)