Weimarer Theaterlegenden
Der Besuch der alten Dame (Inszenierung von 1978)
Tragikomödie von Friedrich Dürrenmatt
»Die alte Dame ist ein böses Stück, doch gerade deshalb darf es nicht böse, sondern aufs humanste wiedergegeben werden, mit Trauer, nicht mit Zorn, doch auch mit Humor, denn nichts schadet dieser Komödie, die tragisch endet, mehr als tierischer Ernst«, merkte der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt zu seiner Tragikomödie »Der Besuch der alten Dame« an, die ihm 1956 zu internationalem Durchbruch verhalf. Bis heute hat diese Parabel über Geld, Verführbarkeit und Moral nichts an Aktualität verloren:
Im hohen Alter kehrt Claire Zachanassian als mondäne, reiche Dame in ihre Heimatstadt Güllen zurück, die von ihr über die letzten Jahren systematisch in den finanziellen Ruin getrieben wurde. Davon ahnen die völlig verarmten Bewohner*innen des Provinznests nichts, sondern erhoffen sich von der Milliardärin vielmehr die ersehnte Rettung aus der Not. Und tatsächlich stellt diese der Stadt eine Schenkung in Höhe von einer Milliarde Mark in Aussicht. Nur eine Bedingung knüpft sie daran, die aber umso schwerwiegender ist: Die Tötung ihres Geliebten aus Jugendtagen Alfred Ill, der sie seinerzeit verraten und die Vaterschaft ihres gemeinsamen Kindes geleugnet hat. Dafür will sie nun Gerechtigkeit. Entrüstet lehnen die Güllener Bürger*innen ab. Wohlstand für einen Mord, das geht ihnen dann doch zu weit. Zunächst, denn das Angebot ist verlockend…
»Ich möchte diese groteske Tragikomödie wie ein antikes Satyrspiel inszenieren. Je argloser, je einsichtiger diese Szenen menschlicher Korrumpierbarkeit, alttestamentarischer Gerechtigkeitsforderung dargestellt werden, desto bestürzender sind sie«, schrieb Regisseur Harry Buckwitz an seinen Ausstatter Karl von Appen in Vorbereitung der gemeinsamen Arbeit an dem Dürrenmatt-Klassiker »Der Besuch der alten Dame« 1978 am DNT Weimar. Für den in der BRD, der Schweiz und den USA anerkannten Theatermann (1904 – 1987) , der u. a. die Münchner Kammerspiele, die Städtischen Bühnen Frankfurt und das Zürcher Schauspielhauses geleitet hatte, war es die erste Inszenierung in einem sozialistischen Land. Buckwitz folgte einer Einladung des damaligen Generalintendanten Dr. Gert Beinemann, da er überzeugt war, dass solche Erfahrungen beiderseitig sehr nützlich sein können.
Als »Alte Dame« ist die Schauspielerin Christa Lehmann (1921-1992) zu erleben, deren Geburtstag sich am 30. März zum 100. Mal jährt. Die Vollblut-Mimin gehörte ab 1947 zum Weimarer Ensemble. Hier verkörperte sie nicht nur zahlreiche Rollen, sondern führte später auch selbst Regie und übernahm 1975 die Position der Schauspieldirektorin. Seit 1959 lehrte sie zudem an der Weimarer Musikhochschule. Die Rolle der Claire Zachanassian gilt als eine ihrer beeindruckendsten darstellerischen Leistungen.
Als Alfred Ill überzeugte an ihrer Seite Wolf Kaiser (1916-1992), der als gefeierter Brecht-Darsteller des Berliner Ensembles nicht nur in der DDR, sondern auch auf Gastspielen international Anerkennung erlangte. Parallel dazu nahm er immer wieder auch Filmangebote an und wirkte ab 1969 als Mitglied des Schauspielensembles des Deutschen Fernsehfunks in zahlreichen Produktionen mit.
Die Inszenierung wurde für die Reihe »Welt des Theaters« aufgezeichnet. Die Erstausstrahlung lief vor 42 Jahren, am 27. März 1979 im 2. Programm des DDR-Fernsehen.
Sie können den Mitschnitt am 26. März 2021, ab 19.30 Uhr, hier auf unserer Homepage für 48 Stunden abrufen. Am Sonntag, den 28. März, wird er um 19.30 Uhr wieder offline genommen.
+++ HIER GEHT ES ZUM STREAM +++
Inszenierung: Harry Buckwitz
Bühnenbild: Karl von Appen
Kostüme: Karl von Appen, Ingrid Rahaus
Dramaturgie: Sigrid Busch, Sabine Horsch
Musik: Jens-Uwe Günther
Mit: Christa Lehmann (Claire Zachanassian), Wolf Kaiser (Alfred Ill), Ernst Schmidt (Gatten der alten Dame VII - IX), Dietrich Mechow (Der Bürgermeister), Hans Radloff (Der Pfarrer), Manfred Heine (Der Lehrer) u. a.
Premiere: 3. November 1978
Der Mitschnitt wurde uns von der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv zur Verfügung gestellt.